Über Mundorgeln
Untersuchungen südost- und ostasiatischer Mundorgeln
Zu den Mundorgeln kam ich über meine Beschäftigung mit der Shakuhachi, der japanischen Bambus-Längsflöte. Hans Otte, seinerzeit Leiter der Musikabteilung von Radio Bremen, hatte mir 1983 den Auftrag erteilt, in Kyoto den berühmten Shakuhachi-Instrumentenbauer Kozo Kitahara zu interviewen. Daraus entstand eine einstündige Feature-Sendung für Radio Bremen, die am 19. 10. 84 gesendet wurde. Ich bekam zum Abschied von Herrn Kitahara sogar eine Shakuhachi geschenkt!
Im Touristenbüro von Kyoto erfuhr ich zufällig davon, daß Herr Zenichi Yamada, ein Instrumentenbauer für Gagaku- Musikinstrumente im Rahmen der Kultursommer- Aktivitäten der Stadt an bestimmten Tagen Besucher empfangen würde. Das war eine eine einmalige Chance, die ich mir nicht entgehen lassen wollte.
Ich besuchte Herrn Yamada in seinem Haus, interviewte ihn und daraus entstand eine weitere einstündige Sendung für Radio Bremen 2 am 28. 9. 1984 über einen Gagaku-Instrumentenbauer aus Kyoto. Davon erzählte ich meiner Freundin Diana Kempff und die gab mir eine sehr kostbare Sho - das ist eine japanische Mundorgel - mit nach Bremen. Ich hüte sie seither als kostbaren Schatz.
Nun begann ich eine sieben Jahre währende hochinteressante Forschungsarbeit über südost- und ostasiatische Mundorgeln. Durch die liebenswürdige Vermittlung von Herrn Yoshihisa Oshida konnte ich in Köln nach einem Konzert des kaiserlichen Hoforchesters den Sho-Spieler Shigeru Iwanami in der Kölner Philharmonie interviewen. Dabei half mir der Hichiriki-Spieler Hideki Togi als Dolmetscher. Er gab mir zum Abschluß des Interviews eine Musikkassette mit eigenen Kompositionen und ich versprach, daß ich mich darum bemühen wolle, damit seine Musik von einer deutschen Rundfunkanstalt gesendet würde.
Interview mit dem Sho-Spieler des Kaiserlichen Hoforchesters Shigeru Iwanami 1989 in Köln
Doch es gelang mir weit mehr! Ich konnte Hideki Togi ein Solokonzert in der Veranstaltung "Romanische Nacht" des Westdeutschen Rundfunks in Köln vermitteln. Nachdem die Haupt-Reisekosten von Japan nach Deutschland vom WDR getragen wurden, fragte ich die Galeristin Katrin Rabus aus Bremen, ob Sie nicht Interesse an einem Solokonzert eines kaiserlichen japanischen Hofmusikers hätte.
Sie sagte sofort zu und ich konnte am 6. Juni 1990 eine einzigartige Vorstellung mit Hichiriki-Solo, Bugaku-Tanz, Ryuteki und Sho in der Galerie Katrin Rabus organisieren und ausrichten. Es traf sich, daß Herrn Togis Schwester, Masami Togi, geschäftlich in Paris zu tun hatte. Sie kam zu der ursprünglich als Solokonzert konzipierten Veranstaltung nach Bremen herüber und spielte Riyuteki und Sho. Diese Veranstaltung war ein voller Erfolg. Noch nie zuvor hatte ein Musiker des kaiserlichen Hoforchesters aus Tokio in Bremen konzertiert - und ich hatte dies eingefädelt! Das vorzügliche Programmheft dieser Veranstaltung habe ich auch geschrieben und gestaltet!
Masami Togi bei der Probe in der Galerie Katrin Rabus in Bremen
Ich lernte bald zwei chinesische Mundorgelspieler kennen. Den ersten, Feng Hai Yun aus Beijing traf ich anläßlich eines Konzerts mit buddhistischer Musik in der Black Box im Münchner Gasteig. Ich ging einfach in der Pause in die Künstlergarderobe zu den Musikern und Mönchen, sprach den Shengspieler an und befragte ihn nach seiner Mundorgel. Wir blieben in gutem Briefkontakt. Ich traf ihn ein Jahr später noch einmal bei einem Konzert in Bonn, wobei er mir auch eine chinesische Mundorgel Sheng und eine große Vase mitbrachte.
Barbara Zuber schrieb zu der Veranstaltung in Ihrem Beitrag "Im Paradies der Geister" am 28. 2. 1987 in der Süddeutschen Zeitung: „Wer das Schicksal des Mahajane-Buddhismus zur Zeit der chinesischen Kulturrevolution kennt, als dieser in arge Bedrängnis geriet, zahlreiche Klöster geschlossen oder anderweitig genutzt wurden, weiß eine in diesen Tagen zu Ende gehende Konzerttournee mit buddhistischer Zeremonialmusik aus der Volksrepublik, veranstaltet vom Berliner "Internationalen Institut für vergleichende Musikstudien" als kleine Sensation zu würdigen. Da machten in den letzten Wochen einige Musiker und Lehrer der Pekinger Musikhochschule, sowie eine kleine Gruppe buddhistischer Musik-Mönche des Pekinger Zhihua-Tempels eine äußerst erfolgreiche Europatournee, um neben traditioneller chinesischer Instrumentalmusik die berühmte Zhihua-Tempelmusik zur "Opfergabenzeremonie für die hungrigen Geister" erstmalig im Westen, so auch in der Black Box am Münchner Gasteig, vorzuführen."
Einen weiteren Shengspieler, Li Yongliang, lernte ich bei einem Konzert des großen Nationalorchesters für traditionelle chinesische Musik aus Shanghai am 4. November 1987 in der Bremer Glocke kennen. Ich ging in der Pause in die Künstlergarderobe und bat, mit dem Shengspieler sprechen zu dürfen. Eine reizende Musikerin holte sofort Herrn Li und half ganz wunderbar als Dolmetscherin. Ich durfte auch auf einer seiner Mundorgeln einige Töne anspielen und verblüffte beide, als ich diese in Flatterzungentechnik anspielte. Beide brachen in schallendes Gelächter aus und lobten meine vorzügliche Technik. Ich hatte diese Spieltechnik vom Herrn Feng aus Beijing bei seinem Engagement in Bonn gezeigt bekommen. Das Eis war gebrochen und Herr Li versprach, daß er mir von Shanghai aus schreiben und das Erinnerungsfoto schicken würde.
Wir blieben viele Jahre in regem Briefkontakt. Er vermittelte mir zahlreiche tiefe Kenntnisse über die chinesischen Mundorgeln und schenkte mir einmal sogar eine eigene Komposition. Ich habe es bis auf den heutigen Tag bedauert, daß es mir nicht gelungen ist, die Komposition zur Aufführung zu bringen!
Dies war eine sehr ungewöhnliche Korrespondenz: Meine Briefe übersetzten mir anfangs jeweils chinesische Mütter, die freitags bei einer chinesischen Ergänzungsschule in Bremen auf ihre Kinder warteten, später eine Bekannte, die Chinesisch konnte und in Shanghai half eine Musikerin aus dem National-Orchester, die Herrn Lis Briefe in chinesischer Sprache sorgfältig ins Englische übertrug.
Einen US-amerikanischen Musikprofessor, Terry E. Miller, aus Kent/ Ohio, der eine ganz vorzügliche Dissertation über die thailändische Mundorgel Kaen geschrieben hatte, lernte ich über eine Schallplatte kennen, zu der er den Covertext verfaßt hatte. Die US-amerikanische Plattenfirma leitete netterweise meinen Brief an ihn weiter. Es entstand ein jahrelanger freundschaftlicher Kontakt mit gegenseitigen Besuchen. Von ihm konnte ich zwei gute thailändische Mundorgeln erwerben, diverse Musikkassetten, kleine Maultrommel-Musikinstrumente und viel über Kaenmusik lernen.
Terry E. Miller, Traditional Music of the Lao, Kaen Playing and Mawlum Singing in Northeast Thailand, Greenwood Press 1985
Im Shanghaier Orchester, in dem Herr Li Yongliang angestellt war, spielte auch die berühmte Erhu-Spielerin Min Huifen. Ich stand mit dem Production Manager HUGO Y. G. AIK, des vorzüglichen Labels HUGO Records aus Hong Kong in Briefkontakt und hatte mir einmal von ihm eine CD mit einer Aufnahme von Min Huifen gekauft. Ich fragte Herrn Li, ob Frau Min mir vielleicht für diese CD eine Signatur geben würde. Sie schickte mir einen sehr freundlichen langen Brief, eine Widmung mit Unterschrift und ein Foto von ihr, worüber ich mich riesig freute. Als ich später von Frau Dr. Sabine Werner aus Bonn gebeten wurde, für den chinesischen Erhuspieler Dong Jinming in Bremen ein Konzert zu organisieren, stellte es sich heraus, daß dieser einst auch Schüler von Min Huifen war. Sein Konzert fand 1998 im KITO in Bremen statt. Ich bat Dong Jinming, die Komposition "Lotus", die mein Freund Hans Otte (Musik-Chef von Radio Bremen) für Min Huifen geschrieben hatte, in diesem Konzert zur Uraufführung zu bringen. Dies geschah ganz zauberhaft und dadurch hatte sich für mich der Kreis geschlossen. Die Noten dieser Komposition hat mir ein sehr liebenswürdiger Schüler-Vater bei einer Geschäftsreise der Frau Min Hui-fen persönlich überbracht!
Ich wollte ursprünglich alle Mundorgeln, die es in deutschen öffentlichen Sammlungen gibt, aufnehmen, vermessen und genau beschreiben und hatte geplant, mich in ca. 27 Museen und Instituten umzusehen. Ich untersuchte die Instrumente im Bremer Überseemuseum, im Hamburgischen Museum für Völkerkunde, im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, im Deutschen Museum in München, in der Musikinstrumentensammlung des Münchner Stadtmuseums, im Münchner Völkerkundemuseum, im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover, im Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde in Köln, konnte mein Vorhaben aber leider nicht abschließen, wiewohl ich es sehr sorgfältig konzipiert und auch logistisch vorbereitet hatte. Doch es blieben viele höchst reizvolle Begegnungen und lang anhaltende Kontakte und viele kleine Geschichten, wie etwa diese:
Ich hatte in einem New Groves Musiklexikon gelesen, daß sich der Berichterstatter über den Lexikoneintrag zur Sompoton-Mundorgel bei Herrn Anwar Sullivan, Direktor des Muzium Sabah auf der Insel Borneo für dessen Hilfe bei der Recherche bedankte. Den schrieb ich an, ob ich eine Sompoton durch ihn kaufen könnte. Dieser schickte mir tatsächlich ein Instrument zu. Die Schachtel kam total ramponiert und aufgerissen in Bremen an, aber die Sompoton war wie durch ein Wunder unbeschädigt - der Zoll hatte vermutlich verbotene Rauschgift-Inhalte vermutet ... Es war aber "nur" eine Mundorgel darin, eingewickelt in Zeitungspapier der Sabah Times. Ich glättete die Zeitung und sah darin einen Gutschein für eine kostenlose Anzeige in dieser Zeitung. Diesen Gutschein wollte ich einlösen!! Und es gelang mir auch!
Ich machte ein Foto von mir mit der Sompoton und bat um eine Veröffentlichung meiner Anzeige, daß ich nämlich auf der Suche nach jemandem sei, der mir viel über das Instrument und die Musikanten erzählen könne. So konnte ich fürderhin immer erzählen, daß von mir in der "Times" ein Artikel mit Bild erschienen sei.
Wenn dann zurückgefragt wurde: London Times oder New York Times?? konterte ich lässig, daß dies nichts Besonderes wäre. Der Artikel über mich sei schließlich in der berühmten Sabah Times auf Borneo erschienen!
Die Sabah Times hatte offensichtlich einen gewitzten Redakteur. Der baute aus meinem Brief und dem beigelegten Foto nebenstehenden Artikel. Diesen bekam ich gleich zweimal aus Kota Kinabalu zugeschickt. Es fanden sich nämlich tatsächlich zwei Männer, Michael Kuyun und Rosley Abbas, die sich durch meine Anzeige angesprochen fühlten. Beide versorgten mich eine Weile mit Informationen über die Mondorgel Sompoton. Michael Kuyun fuhr für mich sogar in die Dörfer, nahm Sompoton-Musik für mich auf und schickte mir die Musikkassetten und Fotos zu. Ich konnte dann auch von ihm noch eine zweite Sompoton käuflich erwerben!
Beispielsammlungen meiner Untersuchungen über Mundorgeln in öffentlichen deutschen Sammlungen finden Sie in den Unterdateien:
Überseemuseum Bremen
Museum der Völkerkunde Hamburg
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Staatliches Museum der Völkerkunde München
Münchner Stadtmuseum, Musikinstrumentenmuseum
Deutsches Museum München
Rautenstrauch-Joest-Museum Köln
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover
Ich empfehle die ausgezeichnete Homepage von
Randy Raine-Reusch, über die sehr gute kurze Tonbeispiele der einzelnen Instrumente angehört werden können: http://www.asza.com/r3hm.shtml, sowie seine vorzügliche weiterführende Linksammlung.
And:
Recommended to me by the famous Carles Pelejero Cabruja from Barcelona and his friend Belinda from Cape Town:
http://www.youtube.com/watch?v=-C6l3YjR6NY&feature=player_embedded#!
Ich möchte sehr herzlich folgenden Link
empfehlen:
UNIVERSITÄT WÜRZBURG
http://www.musikwissenschaft.uni-wuerzburg.de/fr/instrumente/bestand/kurzliste/lo18_19_g25_stw6_mundorgeln/
© UNIVERSITÄT WÜRZBURG
http://www.musikwiss.uni-halle.de/kontaktinformationen/mitarbeiterinnen/schwoerer-kohl/
Von der hatte ich einst deren Doktorarbeit erworben!
http://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=27772&elem=2560714
http://www.wikiwand.com/de/Mundorgel
Die Bäuerin Nakor (links) und ihr Mann Jaha zeigen ihre sieben Musikinstrumente - einige davon gibt es nur im Norden Thailands.
(Foto: Jutta Pilgram)
Urlaub bei Einheimischen: Das Volk der Schwarzen Lahu im Norden Thailands will den Tourismus ankurbeln - und setzt dabei auch auf eine ungewöhnliche Musik.
Quelle: SZ